Pilz in Holz und Tüten

Zuallerst drei Dinge, die mir besonders hängen geblieben sind:
1.) Abgesägte Bäume kann man nicht nur zum Abstellen von Deko-Gegenständen oder als Tisch nutzen, man kann sie auch mit Pilzen beimpfen, sie beernten und dann ohne viel Aufwand im Boden verrotten lassen. So hat man weniger Arbeit mit dem Holz und gleichzeitig etwas zu essen.
2.) »Buchenseitlinge« oder »Kastanienseitlinge« sind nach den Baumarten benannt, bei denen sie darauf spezialisiert sind, die Rinde und deren spezifische Abwehrmechanismen überwinden zu können. Wenn wir aber beim Beimpfen diese natürliche Schutzschicht umgehen, können wir verschiedenste Pilze auf unterschiedlichen Hölzern anbauen, also auch Apfelholz für Ulmenseitlinge verwenden. Es gibt also kein »unnützes« Stammholz, sondern alles kann im Garten verrottet werden und dabei Pilzen als Nährboden und diese uns als Nahrung dienen.
3.) Pilze lassen sich in einem Beet anzubauen: Während andere Pilze erst ab Holzdurchmessern von 10 cm richtig wachsen, kann der Kulturträuschling (auch Braunkappe genannt) auch dünne Äste, Häcksel, Stroh und sogar Pappe problemlos verwerten.

Aber der Reihe nach: Es war ein wundervoller Workshop mit über 30 begeisterten Teilnehmern aller Altersklassen von Kindern bis Rentnern. Nach einer gelassenen, inhaltstiefen und umfassenden Ein- und Anleitung von Referent Danny Kaulitz, der nicht nur promovierter Biochemiker, sondern auch Pilzreferent, -experte und -vermehrer ist, beschäftigten wir uns diesmal nicht mit den „langweiligen“ Champignons. Stattdessen ging es um weniger bekannte Holz-Zersetzer (Saprophyten) wie Seitlinge und Shiitake. Diese Pilze wachsen auf totem Substrat, wie etwa Holz oder Strohpellets (schneller abbaubar).
Ganz praktisch hat Danny uns die folgenden drei unterschiedliche Arten der Speisepilzzucht vorgestellt, die wir auch direkt ausprobierten und umsetzten:

1) Pilzucht in »Bags«
Als Substrat werden Strohpellets aus der Zoohandlung verwendet, die durch den Pressvorgang steril sind. Der Speisepilz zieht bei der Konkurrenz um das Substrat gegen andere Pilze (Schimmel, Hefen) den Kürzeren, deswegen muss ihm durch Hygiene und spezielles (selektives) Substrat ein Vorsprung gegeben werden. Von stickstoffreichen Substraten wie Kaffeesatz riet Danny Anfängern wie uns zunächst ab.
Zuerst wird der Plastikbeutel („Bag“) mit Strohpellets und fertiger Pilzbrut befüllt und vermischt. Das Ganze wird mit Leitungswasser gemischt (Volumenverhältnis 1:1). Entgegen der Erwartungen mögen Pilze es mäßig feucht bis leicht trocken. Der Beutel wird verschlossen und es werden Luftlöcher hineingestochen, damit es nicht zur Gärung kommt – der Pilz braucht auch Sauerstoff!
Nach 2 – 6 Wochen wird das Substrat durchwachsen sein und sich erste Beulen („Pilzknospen“) an den Seiten des Substratklotzes bilden, aus denen die Fruchtkörper wachsen werden. Dann muss an dieser Stelle die Folie mit einem Kreuzschnitt geöffnet werden, damit sich der Fruchtkörper (der »Pilz«) entfalten kann.
Achtung, Pilze bilden mit der Fruchtreife Sporen aus, und zwar viele! – »die gewaltigste Menge Staub, die ihr je gesehen habt«, also muss der Standort mit Bedacht gewählt werden – allerdings keine volle Sonne, die ihn austrocknet.
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2) Pilzzucht auf Holzstämmen
Wer mehr Geduld hat, kann auf Holzstämmen anbauen. Bei Pilzen beliebt sind Eiche, Buche, Birke, aber auch Obstgehölze und sogar Nadelholz wird verwertet.
Der Stamm sollte frei von anderen Pilzen sein, die dem Speisepilz Konkurrenz machen. Auch wächst der Pilz in Wuchsrichtung des Baumes am schnellsten und zwischen den Ringen am langsamsten, deswegen sollte möglichst die ganze Fläche geimpft sein. Dafür werden Löcher in den Stamm in „Wendeltreppenmuster“ bohren und mit Pilzbrut durchwachsenen Holzdübeln versehen. Die Löcher werden dann mit Wachs, Sojawachs oder ähnlichem verschlossen. Der Pilz bezieht seinen nötigen Sauerstoff durch das Holz.
Alternativ kann der Stammt mit der Kettensäge oder einem breiteren Bohrer mit größeren Öffnungen versehen und mit Pilzbrut befüllt werden. Danach verschließt man mit Wachs aber auch mit Panzertape, denn so energetisches Substrat lockt auch Mäuse oder Vögel an.
Die beipften Stämme sollten feucht und schattig unter einer Plane lagern, bis der Pilz den Holzklotz durchwachsen hat. Dies kann je nach Außentemperatur und Pilz ein halbes bis 2 Jahre dauern (bei den Dübeln dauert es recht lang, die Körnerbrut geht schneller). Danach werden die Stämme gewässert und aufgestellt, aufgehängt oder zur Häflte in Erde eingegraben. Die Fruchtkörper erscheinen dann an allen Rindenöffnungen (man kann auch ein paar hinzufügen) je nach Holzstärke über 4–5 Jahre.
Während der Pilz den Stamm durchdrungen hat, können auch Teile abgesägt werden und damit andere Stämme infiziert – einfach dort passende Öffnungen hineinschneiden und das infizierte Substrat darauf nageln und gut gegen Austrocknung schützen.

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3) ein Pilzbeet
Wer nur dünnes Holz oder Stroh hat, kann mit dem Kulturträuschling ein Pilzbeet anlegen. Für ein Pilzbeet wird Stroh in Wasser fermentiert (Stroh in einem Fass mit Wasser bedecken und mit einem Stein beschwert ca. 10 Tage stehen lassen).
Zuerst wird eine Grube von etwa 30 cm tiefe ausgehoben, auf den Boden kommen 2 – 3 Schichten zerrissene Wellpappe, die gut gewässert wird. Obendarauf kommt etwas Pilzbrut, darüber vergorenes Stroh, dann Pilzbrut, Stroh und so weiter bis auf dem Beet etwa 1 kg Pilzbrut verteilt sind. Dann wird eine Erdschicht aufgetragen, darauf nochmals Pappe oder geschreddertes Holz oder Astschnitt als Verdunstungsschutz. Auch sollte ein Schneckenzaun um das Beet gezogen werden, damit keine Schnecken die Pilze vorzeitig vertilgen. Rasch zersetzt der Pilz das Stroh und nach etwa einem halben Jahr beginnen Fruchtkörper zu wachsen.

Zu guter Letzt erklärte uns Danny noch, wie man auch zu Hause seine eigene Pilzbrut herstellen kann.
Pilzbrut selbst herstellen ist etwas für geschickte, geduldige, exakt arbeitende und Leute, die sich nicht von ersten Fehlschlägen abschrecken lassen. Man benötigt dazu Schraubgläser, bohrt in den Deckel ein Loch und verstopft es mit Watte auf Plastikbasis. Die Watte erlaubt Atmung, hält aber andere Pilze fern. Danach kommen Strohpellets und Wasser hinein und alles wird zusammen im Schnellkochtopf 30 min lang sterilisiert (über 110 °C).
Im „saubersten Raum der Wohnung“ entnimmt man vom „frischesten Pilz, den man hat“ (z.B. Austernseitling) ein möglichst reines Stück (aus dem Inneren des Fruchtkörpers), und befördert es möglichst schnell in das Glas. Im besten Fall wächst in dem Gläser dann Pilzmyzel (Erfolgsquote 1 zu 6). Wenn das Substrat komplett durchwachsen ist, kann man es als neue Pilzbrut verwenden. Sollte man schon Pilzbrut haben, kann man sie auf gleiche Art (mit steigender Erfolgsquote) weitervermehren. Im Kühlschrank bleibt so eine Brut 3–4 Monate intakt, bevor sie erneut vermehrt werden muss.
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Danke an Volker für den Beitrag, und an Sebastian, Gesine und Uli für die Fotos!