Aprikosengarten soll verkleinert werden. Aber eigentlich nicht. Oder doch?

Der Aprikosengarten wird im kommenden Jahr wegen Baumaßnahmen verkleinert.
Er bleibt aber am gleichen Ort bestehen! Der Aprikosengarten lebt weiter!

Wir sind unzufrieden bis wütend über den Umgang mit uns, weil die Stadt uns bezüglich der Planung im Dunkeln lässt.
Wir versuchen trotzdem, viel zu retten, indem wir umpflanzen, einlagern oder ähnliches.
Gern könnt ihr uns kontaktieren, wenn ihr euch vorstellen könnt, den ein oder anderen Baum oder Strauch bei euch unterzubringen, vielleicht auch nur zwischenzeitlich. Für weitere Informationen schaut auf unserer Webseite vorbei: https://aprikosengarten.wordpress.com/
Der folgende Text stammt von einem der Gärtner und ist als Meinungsäußerung zu verstehen.

Der Garten…
Wo fange ich da an? Wie beschreibe ich etwas derart komplexes?
Es ist nicht nur eine Grünfläche, die von einigen, mehr oder weniger alternativen, Menschen genutzt wird. Und schon tut sich das nächste Problem auf: Die Nutzung bzw. deren Definition. Natürlich gärtnern wir hier im Aprikosengarten, im Mehrgenerationengarten. Aber ich bin der Meinung, dass das Gärtnern fast den kleinsten Teil der Nutzung ausmacht. Wir unterhalten uns, wir teilen uns unsere Sorgen und Nöte mit, helfen einander, haben am Leben der anderen teil. Wir lachen gemeinsam, arbeiten gemeinsam, ernten buchstäblich die Früchte unserer Arbeit, kochen gemeinsam, essen gemeinsam. Wir sitzen gemeinsam ums Lagerfeuer, starren ins Feuer, verlieren uns in den tanzenden Flammen. Gemeinsam.
Wir lernen neue Mitmenschen kennen, eignen uns neues Wissen an, laden ein zu Festen ein, zu Workshops, zum Essen auch, einfach so. Studenten kommen zu uns, fragen ob sie bei uns forschen können. Sie schreiben Arbeiten über die Menschen Des Gartens, über Den Garten, über Gärten in der Stadt und deren Bedeutung und Nutzen für die Stadt. Wer liest diese Studien? Nicht viele, vermutlich. Leider. Nicht die richtigen, offensichtlich.
Unsere Nachbarn kennen und schätzen uns. So oft kommt jemand und fragt, ob Der Aprikosengarten sich beteiligen kann, sich einbringen möchte. Beim Stadtteilfest, beim Tag der offenen Tür der Volkssolidarität, bei Umundu und wie sie alle heißen. Oder ob unser Grün genutzt werden kann. Meist von sozialen Einrichtungen oder Projekten, für ein Sommerfest, einen Workshop, für den Schulgarten, zum Esel reiten, für eine Hortgruppe. Die Kinder kennen doch kaum Pflanzen, und rumrennen… Wo sollen sie denn das machen? Aber so ein Garten… Was es da alles zu entdecken gibt: Eidechsen, Schmetterlinge, Wildbienen, Vögel, Spinnen, Schnecken, Regenwürmer, Käfer, Grashüpfer. Blumen, Beeren, Obst, Gemüse, Kräuter. So eine Vielfalt. Beete gießen, so emsig bis wir einschreiten müssen weil wir befürchten, wegzuschwimmen. Und die Kinder lachen, sie freuen sich, sie machen etwas, dessen Sinn sie sofort verstehen. Nicht so wie in Mathe, das braucht man ja im echten Leben nie! Sie entdecken das Labyrinth. Ein richtiges Labyrinth! 15 Kinder gehen im Gänsemarsch einen sich windenden Pfad entlang. Sie sehen einander, könnten sofort in den nächsten Gang hüpfen, den Weg abkürzen. Irgendetwas hindert sie. Nicht die Erwachsenen. Sie selbst. Sie wollen sich nicht um diesen Weg bringen, wollen den ganzen Pfad abschreiten. Draußen rennen sie wieder wild durcheinander, jagen sich, fangen sich, lachen und schreien. Im Garten geht sowas.
Das mit der Definition klappt also nicht. Zu vielseitig, zu vielschichtig ist das Geflecht zwischen Grünfläche, Nutzfläche, Gärtnerinnen und Gärtnern, Nachbarn, Nutzern, Genießern. Nur eine Gruppe fehlt und wir vermissen sie zur Zeit schmerzlich: Partner. Und hier schlägt die Stimmung um. Aus Frohsinn wird Wehmut, aus Eifer Frustration, aus Wertschätzung Wut. Die Stadt will bauen. Erst eine Sporthalle und eine Schule, dann nur eine Sporthalle, jetzt eine Sporthalle und eine Schule aus Containern als Interimslösung. Es ist ja kein Geld da. Oder ist die Interimsnutzung überhaupt eine Schule? Uns sagt ja keiner was. Wir sind ja nur Die Gärtner.
Wir vermissen Partner. Partner, die mit uns planen. Die uns auch als Partner sehen, nicht als Hindernis. Die den Wert dieser Fläche nicht in Quadratmetern messen, sondern die Menschen sehen, den Stadtteil, die soziale Relevanz, die kulturelle Bedeutung, die Bildungsmöglichkeit, die Vielfalt, das Zusammenspiel, die Gemeinschaft aus alldem. Als Chance.
Für viele sind wir Partner. Für die vielen sozialen und kulturellen Projekte, für Schulen und Horte, für Menschen aus unserem Viertel. Wir sind nicht gegen den Bau. Wir sind aber für ein Miteinander. Wir könnten der Schule einen Schulgarten bieten, Partner sein bei dem, was wir gut können. Nein, das geht nicht, die Schule braucht einen eigenen Schulgarten. Da, wo bisher der Gemeinschaftsgarten ist, war, gewesen sein wird. Sind unsere Ansprüche zu hoch? Ich weiß es nicht. Ist es zu viel verlangt, den Parkplatz für Baustellenfahrzeuge nicht auf dem Garten zu planen? Ist es zu viel verlangt, den Vermesser, wie am 07.07.2015 schriftlich zugesagt, die verbleibende Fläche abstecken zu lassen? Im August sollte das über die Bühne gehen, jetzt haben wir schon Oktober. Erwarten wir zu viel? Sind wir zu wenig, um Ansprechpartner zu sein? Zu wenige Menschen, zu wenige Nutzer, zu wenig Bedeutung? Keine Kennzahlen = keine Bedeutung? Ist es so einfach? Muss man sich dann nicht mehr an Absprachen halten? Kann man die Kleinen dann einfach ignorieren, auf eMails nicht antworten, nicht ans Telefon gehen.
Wir wollen planen. Wir müssen planen. Denn wir wollen retten, was zu retten ist. Dazu müssen wir aber wissen, was uns bleibt. Was übrig sein wird. Wo unsere Aprikosenbäume sicher sind, oder der Maulbeerbaum, der Kirschbaum, die Esskastanie, der Nussbaum. Die Sanddornsträucher, sorgfältig gepflanzt, ein männlicher, zwei weibliche. Sie tragen prächtig. Die Aroniabüsche, bestens für Likör oder als Verfeinerung für Apfelmarmelade. Die Johannesbeeren, rot und schwarz, die Stachelbeeren, die Weinreben. Das Frühbeet, das Tomatendach, der Geräteschuppen, unser Schauer. So viel zu retten, so viel schützenswert, nicht nur materiell. Wird die Gemeinschaft zwei Jahre Baulärm überstehen. Wird der kleine Rest an Fläche ausreichen, um all das anbieten zu können, was wir bisher so gern angeboten, zur Verfügung gestellt, geteilt haben? Sommerfeste zwischen Baufahrzeugen, Unkraut jäten im Takt der Maschinen. Wegen einer vielleicht-Containerschule. Ab Februar solls losgehen…
Definieren geht nicht, zu komplex ist der Sachverhalt. Und emotional. Mittlerweile, denn die Zeit für Gespräche rinnt davon, ungenutzt. Wann soll da rational über Fakten gesprochen, eventuell sogar verhandelt werden? An wessen Tisch, auf wessen Einladung hin, mit wem? Das Gartenjahr ist fast zu Ende, aber wo sollen wir hin, was bleibt? Was können wir retten in der wenigen Zeit, die uns bleibt?
Bei einem Treffen kürzlich mit Menschen aus anderen Gärten der Stadt sagte einer sinngemäß: „Die Menschen kommen nicht wegen politischer Diskussionen in die Gärten. Sie werden erst dazu gebracht, sich mit Politik auseinanderzusetzten, weil die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht.“ Unser Labyrinth… Es ist toll, einzigartig. Wie so vieles in Unserem Garten. Es wird das erste sein, was den Baggern zum Opfer fallen wird. Trauer bleibt. Auch in den kommenden Jahren. Schwermütige Erinnerung an das große offene Grün. Dann wird hier Schatten sein.
Karl, Gärtner im Aprikosengarten