Meine Zeit bei deinHof….

Wie ist das eigentlich, wenn ein junger Mensch aus der Stadt sich plötzlich intensiv mit Gemüseanbau beschäftigt, darüber Pflanzen kennen und schätzen lernt, und auf die Art auch ein bisschen mehr sich selbst?

Tom hat im letzten Jahr ein FÖJ bei der Solidarischen Landwirtschaft deinHof gemacht und berichtet von seinen Erfahrungen:

Für mich persönlich war das Jahr auf dem Hof ein sehr bewegendes. Es ist unglaublich viel passiert, in meinem Innen und Außen.
Die alte Barracke, der grüne Hugo, die wunderbare Erde, Henry, Lisa, Anne, Albi, Steffi, Christa, Ralf und das ganze Gemüse haben keinen unerheblichen Einfluss darauf gehabt.

Als ich beim Hof angefangen habe, hatte ich nicht den blassesten Schimmer, wann Möhren eigentlich wachsen oder was ein schwarzer Rettich ist. Und ich wollte jetzt auch endlich mal ernsthaft die Welt retten, anstatt immer nur zu schimpfen, und hatte gehört mit Gärtnern ginge das wohl.
Ich musste also dort hin und endlich etwas lernen über gute Nahrung, was Pflanzen so brauchen, und tatsächlich auch über mich selbst.

Die Zeit der Ernte und der Einkehr.

Nachdem ich gleich zu Beginn erstmal mitten in den riesigsten Ernte-Trubel meines Lebens hinein geraten bin, habe ich nicht schlecht gestaunt habe, was es alles gibt und wie unglaublich viel Arbeit darin steckt, diese Dinger dann auch noch alle auf ihre eigene Weise zu pflücken.  Und wie dreckig das alles ist!(vor dem Waschen.)

Und dann kam auch ziemlich schnell der Winter.
Er war kalt, teilweise auch einsam, und so es war nicht immer ganz einfach, zu dritt die ganze Zeit aufeinander zu hängen. Vor allem, wenn ein solches Projekt am Leben gehalten werden will und die Beteiligten nicht immer alle einer Meinung sind. Aber ich habe Lauch erntend im Schnee gesessen, mindestens eine Million Möhren angefasst und begriffen, dass man mit 2 Hand voll Würzelgemüse-Sorten den ganzen Winter über die feinsten kulinarischen Abwechslungen zaubern kann. Ich habe gelernt, dass Salat auch im Winter wächst und wie nervig es ist, Wasser kochen zu müssen, um dann draußen in der Kälte den Abwasch zu machen, der bis dahin 2 Wochen Aufschub genossen hatte. Es gab stille Momente mit Henry allein beim Salat, oder mit Lisa und ihrer Saatmaschine, den ganzen Tag Samen zählen und vorm Feuer sitzen.

Der Trubel beginnt langsam, die Hitze kommt.

So langsam schlich sich der Frühling ein und ich saß gefühlt nur noch auf meinem Arsch, oder kniete, und zupfte kaum voneinander zu unterscheidende, grüne Keimlinge aus der Erde. Den ganzen Rest meiner Zeit dort. Nur das. Nur das und mehr nicht. Jedenfalls hat es sich eindeutig so angefühlt…

Und dann war da noch die Erde. Die plötzlich warm war und in die man seine Füße und Hände stecken konnte, während die Sonne einen von oben durchgebraten hat. Wir haben den ganzen Sommer über mit Wasser rum gespielt und ich habe meine Schuhe nie wieder angezogen.

Aufeinmal war die Hitze das Problem. Es hat schon gut getan, sich den Elementen so ausgeliefert zu sehen und meine eigentliche Ohnmacht der Natur gegenüber zu spüren. Und die Stärke des Jahres, wie es sich dreht und welchen Einfluss es auf mich hatte mit all seinen Facetten.

Was mich besonders umgehauen hat, war das Gefühl die klitzekleinen Pflanzen, alle einzeln, so behutsam, aber auch so schnell wie möglich, in die Erde zu setzen –  und dann zu sehen, wie sie immer immer immer riesiger werden, bis sie den ganzen Boden bedecken, riesige Früchte bilden oder einen um Längen überragen! Ich hatte zwischen den Gurken das Gefühl, in einem Urwald zu stehen – den ich selbst gemacht und umsorgt hatte.

Der Sommer war auch die Zeit, zu der der Hof nicht nur Pflanzen zum Blühen brachte, sondern auch Soziale Prozesse: auf einmal gab es so viel zu ernten und zu essen, dass dauernd die unterscheidlichsten, tollsten Menschen zum Helfen, Lernen oder Dinge bauen vorbei kamen und ein ganz schöner Trubel entstand. Gutes Stichwort: Trubel und Gewimmel zu Hauf gab es auch, wenn man eine Pflanze aus der Erde hob und mal genauer hingesehen hat – ich hab in meinem Leben noch nie so viel Lebendiges auf einma aufgescheucht. Das war alles wunderbar zu erleben.

Auch war der Sommer die Zeit, in der ich mich getraut habe, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wenn auch mit Startschwierigkeiten- danke für die Hilfe dabei und für das Vertrauen, die Gemüseverteilung und -lieferung übernehmen oder einzelne Sorten selbständig ernten zu dürfen.

Gemüseanbau ist nicht nur pflanzen, gießen und dann glücklich ernten. Sondern eigentlich eine Wissenschaft für sich, bei der ich oft genug nicht verstanden habe, von was genau die 4 Gärtner da sprechen.
Da waren Winde und Quecke – unsere erklärten Todfeinde. Da war Henry im weißen Hemd, stundenlang auf dem Traktor in der Sonne.  Da war Ralf, der alles hat und alles kann, aber gern mal auf sich warten lässt. Oder spirituelle Gespräche mit Albi. Und Lisa, die den Takt vorgibt. Anne, wie sie lächelt.
Unendliche Aktionen Netz-auf-machen / Netz wieder eingraben. Feste, Lachen, Streit, Kochen, ein Kompost-Klo, stachlige Zuchini, die 2 Kuschel-Katzen, die wirklich immer eine Maus im Maul hatten, abgehauene Ziegenböcke, Tausend Kräuter zu sammeln, fermentierter Mulch, Brennessel-Jauche und noch so vieles mehr.

Der Kreis schließt sich.

Als im Herbst die Ernte wieder begann, haben sich die Dinge wieder beruhigt und für mich zum ersten Mal wiederholt.
Und so langsam schlichen sich bei mir Gedanken ein, wie mein Leben nach dieser Zeit mit harter Arbeit in der Natur weiter gehen wohl weiter gehen wird. Ich habe voller Wehmut den Schritt weg vom Hof, der inzwischen auch MeinHof geworden war, um endlich Heilpraktiker zu werden, früher oder später.

Danke für die Erlebnisse, die Lernerfahrung, das Lachen und dass ihr mich ausgehalten habt. Ihr seid herzensgute Menschen, die sich übelst den Arsch aufreißen.

Im Übrigen unterstützt mich der Hof auch jetzt noch, indem er Unmengen frischen Thymian spendet. Denn bei meiner neuen Aufgabe, in der provisorischen Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, da, wo sonst kaum oder nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, kann ich jetzt allen Erkälteten (und es sind viele erkältet) Thymian für eine einfache Linderung in die Hand geben. Die Menschen freuen sich so sehr. Danke dafür. Thymian heißt auf arabisch übrigens زعتر  – „za’tar„. Ich bekomm es aber selten hin, das so auszusprechen, dass nicht über mich geschmunzelt wird.

In diesem Sinne – Kapitalismus weggärtnern!